Dividenden Blog

10. Juli 2024

Wann Lambo?

Vor 15 Jahren war ich in Westafrika unterwegs u.a. im Gambia. Die hatten damals noch einen kruden Diktator der mittlerweile im Exil lebt (andere Geschichte). Damals waren Smartphones noch nicht so ein Ding und ich hatte eine Digitalkamera dabei .. also so eine mit deinem Display wo man dann auch schön sehen konnte wie das Bild geworden ist.

Ich war natürlich in vielen Dörfern und die Menschen ließen sich immer gerne fotografieren. Meist kam das halbe Dorf zusammen und ich hab dann Fotos gemacht. Sie lachten über das ganze Gesicht. Da man das Foto gleich sehen konnte zeigte ich ihnen oft die Aufnahme. Das war der Renner und ich musste dann immer noch mehr Fotos machen und sie ihnen zeigen.

Beim den nächsten Fotos hielt sich dann allerdings die Hälfte der Leute die Hand vor den Mund.

Das Lachen enthüllte ihre Zahnlücken die gerade bei älteren Menschen zuhauf vorhanden waren.

Klar .. im Alltag sahen sie die Lücken nicht. Keine Spiegel, keine Smartphones, keine Kameras .. bis halt so ein doofer Weißer sie drauf aufmerksam gemacht hat.

Fand ich damals schon irgendwie interessant.

Vor 100 Jahren waren die einzigen Informationsquellen Geschichten die wer erzählt hat, vielleicht ab und zu mal ne Zeitung und irgendwann das Radio. Fernsehen gabs erst in den 1950ern .. damals konnte man gar nicht wirklich wissen was man hat oder nicht hat.

Vielleicht hatte der Bauer aus dem Nachbarhof mehr Kühe oder ein besseres Fuhrwerk. Das wars aber schon. Fast niemand wusste was man alles so wollen oder haben könnte.

Neid gab es damals sicherlich auch schon .. der ist in uns drin .. aber man war dann halt auf die größeren Kartoffeln oder die schöneren Hühner neidisch.

Fakt ist aber .. wenn ich von etwas nichts weiß dann kann ich es auch nicht haben wollen.

Die Afrikaner habe ich auf ihre Zahnlücken aufmerksam gemacht und sie fanden das eben nicht so ästhetisch. Darum die Hand vor den Mund.

Wenn ich nicht aufgetaucht wäre, hätten die glücklich weiter gelebt und keine Gedanken an Zahnlücken verschwendet.

Dinge die wir sehen, erleben oder vielleicht auch hören wecken aber Begehrlichkeiten in uns.

Begehrlichkeiten und Neid haben durchaus ihren Zweck.

Wenn ich zwei Ochsen habe (wie der Nachbar) kann ich mehr Felder pflügen. Ein besserer Job bringt vielleicht mehr Geld ein und ein sportlicher Körper macht mit attraktiver für potentielle Partner.

Neid führt also zu Motivation was zu ändern oder auch eine Verbesserung meiner Situation anzustreben.

Zu nem gewissen Grad ist das gut, weil wir damit nicht den Status Quo akzeptieren und auf der Couch verkümmern.

Solange man irgendwie realistisch bleibt.

Ich muss viel arbeiten um noch einen Ochsen zu kaufen, eine Zusatzausbildung machen um nen besseren Job zu bekommen und ich muss viel Sport machen um 10 kg abzunehmen. Das dauert, es ist anstrengend und verlangt Disziplin und Durchhaltevermögen.

Viele Begehrlichkeiten sind aber mittlerweile induziert. Wir bekommen mehr mit, haben Massenmedien und das Netz besorgt den Rest:

Du sollst doch bitte im 5 Sterne Hotel auf den Malediven Urlaub machen, du sollst Karriere machen und weniger als ein sechsstelliges Jahresgehalt ist ja auch peinlich, du sollte eine glückliche Beziehung mit einem Traumpartner führen, einen sportlichen Körper haben, möglichst nicht altern, nen schicken Sportwagen fahren, deine Kinder sind Musterschüler und du hast ein wunderbares Haus im Grünen. Außerdem schlägt dein Depot ja locker den Index.

Das Ganze musst du dann noch auf Insta festhalten und am besten erklärst du dann noch anderen wie sie auch so ein tolles Leben wie du führen.

Begehrlichkeiten von denen ein Mensch von vor 100 Jahren gar nicht wusste dass er sie haben könnte sind heute normal.

Das führt zu Druck in uns selbst .. dabei sehen wir oft nur Fassaden weil kaum wer erzählt wie die Beziehung in die Brüche gegangen ist oder wie jemand dann halt doch keine Karriere gemacht hat.

Drauf geeicht sind wir sowieso .. erfolgreiche Stories von schönen Menschen lesen sich einfach besser als wenn der dicke Hermann von seinem Alkoholproblem berichtet.

Aber das Leben ist nicht so.

Einige Dinge laufen gut, viele eher so mittelprächtig und manches knallt halt gegen die Wand.

Aber am wichtigsten finde ich:
Man sollte realistische Erwartungen an sich selbst haben und einschätzen können welchen Aufwand man betreiben muss um ein Ziel zu erreichen und ist es der Aufwand auch wert?

Erst dann kann man entscheiden ob man versucht den Weg zu gehen.

Ich bin nicht frei von oben genannten. Wenn ich aus versehen mal wieder durch Insta scrolle empfinde ich manchmal schon etwas Neid wenn ich Bilder von einem einsamen Strandhaus in den Tropen sehe. Klar hätte ich auch Bock mal einen Lambo zu fahren und ein paar KG weniger und mehr Waschbrett am Bauchnabel wären auch nicht zu verachten.

Und das Alles wäre auch irgendwie möglich. Aber ist es notwendig? Wie sehr will ich das? Will ich es nur weil ich es gesehen habe? Und was verspreche ich mir davon? Bin ich mir bewusst, dass ich dann ggf. auf andere Dinge verzichten muss und meine Zeit anders einteilen muss …

Man sollte also dringend unterscheiden was man wirklich will, aus sich heraus, für sich.

Das andere sind Begehrlichkeiten, nett, schön und flüchtig auf deren Idee wir aber von alleine nicht gekommen wären.


Kommentare:

  1. Paul

    Hallo,

    genau so und nicht anders ist es. Meine Mutter sagte früher immer das die eigenen ( Kinder) immer die besten seien. Sie wollte damit wohl sagen, das man auf einem Auge blind ist. Wir sind extrem beeinflusst von dem, was uns von überall eingetrichert wird. Das ist nicht gut für uns und macht doch unglücklich.
    Grüsse
    Paul

  2. Queen All

    Das Gras auf der anderen Seite des Zaunes ist immer grüner, das hab ich mal in einem Mickey Mouse Comic gelernt.
    Wie du sagt, man muss sich klar machen, was einen das hehre Ziel kostet und sich überlegen, ob es einem das wert ist. Ein Leben ohne Pizza ist nicht beneidenswert

  3. Martin

    Neid führt also zu Motivation was zu ändern oder auch eine Verbesserung meiner Situation anzustreben. Nicht unbedingt. Häufig, besonders bei Linken, führt Neid dazu, dass man dem Anderen das Mehr nicht gönnt und alles daran setzt, ihn runterzuziehen. Darauf basiert ja die ganze Gleichheitsideologie. Für Interessierte: sehr schön beschrieben in Helmut Schoeck, Der Neid und die Gesellschaft, ca. 1970.
    Gruß
    Martin

  4. FreiOhneLimit

    Gratulation für diese Punktlandung.

  5. Thomas

    Wieder mal ein schöner Beitrag von dir. Ich habe die ganze Zeit noch darauf gewartet, dass du schreibst:
    Fahrt nicht nach Afrika lasst die dort in Frieden mit sich selbst leben 😉
    Aber ernsthaft, Insta ist schlimm, das kann man sich doch eigentlich freiwillig nicht geben, was soll einem das auch bringen? Das ist doch auf allen Ebenen nur noch eine Verkaus Fake Veranstaltung (da nehme ich mich nicht aus wobei ich da nur ab und an mal ein Bildchen poste) – grusel…
    grüße
    Thomas
    (mal wieder ein Kaltgetränk?)

  6. mad

    @Thomas
    Kaltgetränk bin ich am Start!

  7. Vroma

    Frei nach Peter Lustig: „Glotze abschalten…“

    Das kann man sehr gut auf die „Social Medias“ übertragen. Jeder vernünftige Mensch weiß, dass man sich damit das Hirn entfettet.

    Da war klassisches Fernsehen, trotz Radio Television Luxemburg, ja fast schon Bildung dagegen.

    Social Media, die Zigaretten des 21. Jahrhunderts*.
    *Machen physisch nicht abhängig.

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