Ein Zitat von David Graeber (Ethnologe, lehrt an der LSE)
1930 sagte John Maynard Keynes voraus, dass die Technologie bis zum Ende des Jahrhunderts so weit fortgeschritten sein würde, dass Länder wie Großbritannien oder die Vereinigten Staaten eine 15-Stunden-Woche erreicht haben würden. Alles deutet darauf hin, dass er recht hatte. Technologisch gesehen sind wir hierzu in der Lage. Dennoch passiert dies nicht. Stattdessen wurde Technologie dafür eingesetzt, damit wir alle mehr arbeiten. Um dies zu erreichen, mussten Jobs geschaffen werden, die im Resultat sinnlos sind. Große Mengen an Menschen, insbesondere in Europa und Nordamerika haben ihr gesamtes Arbeitsleben damit verbracht, Tätigkeiten auszuführen, von denen sie heimlich denken, dass sie eigentlich nicht getan werden müssten. Der moralische und spirituelle Schaden, der hier aus dieser Situation resultiert, ist schwerwiegend. Es ist eine Wunde in unserer kollektiven Seele. Doch niemand spricht hierüber.
Dazu gab es auch eine Umfrage in Großbritannien (2015) wo 37% der Befragten angaben das ihr Job im Grunde bedeutungslos ist.
Was ist ein Bullshit Job?
Eine Tätigkeit die keinen volkswirtschaftlichen Mehrwert bringt, bzw. die nicht zum Gemeinwohl beiträgt.
Ich habe mich z.B. immer gefragt was den Beruf eines Steuerberaters rechtfertigt. Wäre es nicht besser eine Steuergesetzgebung zu haben die so einfach wäre das es diese Berufsgruppe nicht bräuchte? Die wachsende Horde der Berater und Consultants halte ich ebenso für überflüssig. In meiner Zeit bei 1&1 hatten wir Booz im Haus. Da haben mir dann einige Jungs die frisch von der Uni kamen erklärt wie ich meinen Job besser machen kann. Dann waren sie wieder weg und alles lief so weiter wie gehabt.
Warum brauche ich einen Immobilienmakler?
Einen Ernährungsberater?
Oder nen Finanzberater?
Wäre ich wirklich schlechter dran wenn es die nicht gäbe, würde ich mir vielleicht mehr Mühe geben Dinge selbst zu lernen? Aber halt das geht ja nicht. Da ist der Mangel an Zeit unter dem wir alle leiden.
In vielen Bereichen kann man auch nur teilweise von Bullshit Jobs sprechen.
Während die Bauarbeiter am neuen Berliner Flughafen sicher einer sinnvoller Tätigkeit nachgehen, wurde durch beschissene Planung und Missmangement, ein vielfaches an Arbeitsstunden angehäuft als tatsächlich benötigt worden wäre. Viele Arbeiten die verrichtet wurden waren einfach überflüssig.
Oder im Gesundheitswesen .. die Techniker Krankenkasse hat über 13.000 Angestellte (10 Millionen Versicherte), die DAK 10.000 (6 Millionen Versicherte). Die kassieren Geld und geben es wieder an Ärzte und Krankenhäuser. Nahezu alle Leistungen sind gesetzlich standardisiert. Die Beiträge steigen ab und zu und ich bekomme alle paar Jahre etwas weniger für meinen Beitrag. Dazu brauche ich aber keine 100.000 Angestellten im Krankenkassensektor. Also was machen die den ganzen Tag?
Als ich bei 1&1 war haben die mit 5000 Mitarbeitern 10 Millionen Kunden betreut. Und selbst da war ein Teil der Jobs einfach Bullshit. Als ich angefangen habe, haben wir mit 2-4 Entwicklern prima eine Kampagne (Monatsangebot Hosting oder Mobilfunk) gebaut. Als ich gegangen bin hatten wir 10 mal soviel Leute, einen Wasserkopf aus Projektmanagern, UXlern, QAlern usw. schneller waren wir nicht und besser auch nicht.
Seis drum ..
Wirklich wichtige Jobs haben wir komplett automatisiert oder werden in unserer Gesellschaft schlecht bezahlt und haben oft auch kein hohes Ansehen. Oder stellt euch mal vor wenn morgen alle Krankenpfleger, Müllmänner, Bauern oder Paketzusteller nicht mehr hier wären. Das nackte Chaos würde ausbrechen.
Nen Immomakler, Personal Trainer oder nen Firmenanwalt wird aber so schnell keiner vermissen.
Es ist doch schon massiv verdächtig, daß der Kapitalismus eine so hohe Anzahl an überflüssigen Beschäftigungen hervorbringt und dann diese Jobs in der Regel auch noch besser bezahlt, als Jobs die uns als Gesellschaft weiterbringen.
Glücklich der welcher nicht darüber nachdenkt .. man könnte ja sonst in Depressionen versinken.
tja, so isses, aber was nutzt es mich zu wissen dass ich kein bullshit job habe? bleibt mir nur die frugale Schiene und hoffen dass ich in 4 Jahren genug Dividende bekomme um dem Sklavenjob zu entrinnen, die Knochen tun mir jetzt schon weh….nach 41 Dienstjahren.
Respekt für die 41 Jahre .. das bringt dir auch nichts .. ich weiß.
Aber andersrum kenne ich Leute die 150.000 Euro mit nem Bullshit Job verdienen, seit Jahren Antidepressiva nehmen und die dritte Therapie hinter sich haben.
Den Sinn finden die nicht .. aber der Job hält sie gefangen. Die Kohle ist auch weg, teure Wohnung, Autos usw. Konsumbefriedigung.
Beim schreiben dieses Artikels ging mir nur wieder die Suche nach dem Sinn durch den Kopf. Wäre es nicht schön wenn wir gar nicht den Drang hätten nach finanzieller Freiheit zu streben?
Hi Matthias,
als provokanter Wachrüttler ist dein Text gut. Wenn man dann tiefer drüber nachdenkt, sieht man – wie bei so vielem, dass es doch nicht so einfach ist.
Dass einem Jobs sinnlos vorkommen, kann auch daran leigen, dass man selbst zu weit vom Kunden weg ist und deshalb seinen Beitrag nicht erkennt. Oder man identifiziert sich einfach nicht mit dem, was das Unterhehmen macht. Dann sollte man woanders hin gehen oder sich vielleicht in der Selbständigkeit versuchen, wenn man eine Idee für etwas hat, dass einem selbst sinnvoll erscheint.
Klar gibt es die Ausnahmen. Unternehmen, die keinen oder so wenig Kundennnutzen generieren, weil sich nicht am freien Markt tätig sind. Die vielen Krankenkassen hast du selbst genannt. Auch die Steuerberater, etc., die von unnötiger gesellschaflticher Komplexität profitieren, gehören dazu. Ein andereres Problem ist hier Organisationsstruktur von größerer Unterhehmen. Wenn dies zu Wasserköpfen im Management und überflüssigen Beratern führt, ist dies einfach ein Missstand, an dem das jeweilige Unterhehmen letztlich Schuld trägt.
Generell wird eine spezialisierte Gesellschaft wie die unsere jedoch immer dazu führen, dass der Nutzen der eigenen, kleinteiligen Arbeit in einem Unternehmen dem Angestellten selbst verborgen bleibt.
Problematisch sicher auch, dass gerade die abstrakten, spezialisierten, nur indirekt wertschöpfenden Berufe auf der einen Seite wichtig, auf der anderen Seite durch das Indirekt schwer messbar bzgl. der erbrachten Leistung sind.
Ein Skandal, dass die sozialen Berufe dermaße unterbezahlt sind, es jeder weiß, es aber den Meisten scheiß egal ist. Man ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Geld verdienen.
Letztendlich liegt es in der menschlichen Natur, oder noch allgemeiner: der Evolution. Wir wollen unsere Gene weiter geben. Dafür müssen wir gegen unsere Artgenossen bestehen. Heute nicht mehr über die größere Keule, sondern über das dickere Auto. Dann fährt die Nachbarin auf uns ab und dürfen es ihr besorgen.
In diesem Sinne bis zum nächsten Mal!
Torsten
P.S.: Hab gerade Zeit, während parallel eine Menge Links gescrappt werden. War übrigens deine Idee 🙂