Dividenden Blog

9. März 2025

Auf ein Arbeitszeugnis verzichte ich

Ich schreib ja auch hier gerne Sachen auf die ich in ein paar Jahren nachlesen kann. Und nach ein paar Monaten Abstand (vom Job) hier nun das Endspiel mit meinem ehemaligen Arbeitgeber.

Im Jahr 2014 bin ich von 1&1 zu einer SEO Agentur (One Advertising AG) nach München gewechselt. Der Deal war, dass ich im Homeoffice arbeite und so 10 mal im Jahr eine Woche nach München fahre und dort im Office arbeite. Das hat alles wunderbar funktioniert.

Die One Advertising AG gehörte zwei Inhabern. Im Jahr 2017 haben die sich entschlossen die Agentur an eine Beteiligungsgesellschaft zu verkaufen (EMERAM Capital Partners). Diese formte dann aus diversen weiteren Agenturen einen Digitaldienstleister der die ganze Kette im Online Business abdeckte.

Also es gab nicht nur SEO sondern auch Web Development, Design, UX/UI .. den ganzen Käse den man halt so online braucht.

Einer der Gründer blieb in der neuen Agentur als Geschäftsführer an Board.

Ich war da schon skeptisch weil wir keine kleine Boutique Agentur mehr waren sondern halt zu einer relativ großen Firma wurden. Und je größer die Bude desto mehr Shitshow (meine Erfahrung).

Allerdings wurde mir ein Angebot gemacht, dass ich nicht so einfach ablehnen konnte. EMERAM hält seine Beteiligungen nur ein paar Jahre und verkauft sie weiter.

Sollte es (wenn ich weiterhin angestellt bin) zu einem solchen Deal (Exit) kommen würde ich eine Einmalzahlung bekommen.

2021 war ich allerdings abermals kurz davor zu kündigen (Ich hatte ein besseres Angebot). Und naja die Einmalzahlung die ich bekommen sollte wurde erhöht.

Es war auch nicht schlecht. Der Arbeitgeber als solcher war okay, ein paar gute Projekte gab es auch, die Leute waren nett und alles in allem war es ein guter Job.

Mein ehemaliger Chef (der Gründer der One Advertising AG) verließ die Firma allerdings Ende 2023.

Ab diesem Zeitpunkt wurde es etwas ungemütlicher.

Während wir vorher mit dem ganzen Businesskram eher in Ruhe gelassen wurden, wurde mehr und mehr drauf geachtet wieviel Prozent der Arbeitszeit auf Kundenprojekte gebucht wurden (Billable Hours). Indirekt kam Druck auf, weil verglichen wurde welche Abteilung, wie erfolgreich ist und somit mehr zum Unternehmenserfolg beiträgt als andere Abteilungen.

Einfach viele Dinge die zwar wichtig sind aber eigentlich das Management steuern sollte ohne die einfachen Mitarbeiter damit zu belasten.

Mir ist schon klar, dass ne Firma Geld verdienen muss und soll .. allerdings fühlten sich halt viele Kollegen dadurch unter Druck gesetzt. Man versuchte in seinem eigenen Bereich gut dazustehen auch wenn das bedeutete, dass man das Problem nur zu wem anders schiebt. Es war immer weniger „gemeinsam“ sondern eher „jeder kämpft für sich“.

Als sich 2024 die Konjunktur eintrübte bekam das auch die Firma zu spüren und man begann zu sparen. Ganze Abteilungen wurden geschlossen, langjährige Kollegen waren plötzlich nicht mehr da, Fortbildungen und diverse Benefits wurden gestrichen usw.

An einigen Tagen kam man aus dem Stauen gar nicht mehr raus:
Ach der arbeitet jetzt auch nicht mehr hier? Was echt? Sie hat gekündigt? Aha .. xxx muss auch zum Jahresende gehen usw. Der Flurfunk tat sein übriges und diverse Kollegen haben sich gefragt was die Geschäftsleitung da gerade für einen Clusterfuck produziert.

Allerdings wurde die Firma Mitte 2024 tatsächlich verkauft.

Bedeutete .. meine Einmalzahlung wäre fällig.

Gedanklich war ich schon soweit, dass ich kündige wenn das Geld auf dem Konto ist.

Das habe ich dann auch gemacht. Im August wurden mit etwa 100.000 Euro überwiesen und im September habe ich gekündigt.

Der letzte Satz des Schreibens war: Auf ein Arbeitszeugnis verzichte ich.

Hätte ich gekündigt wenn es nicht zum Verkauf gekommen wäre?
Gute Frage … irgendwann sicher. Aber wahrscheinlich hätte ich noch etwas das One More Year Syndrom gepflegt,

Hätte ich gekündigt wenn sich das Betriebsklima nicht so verschlechtert hätte?
Irgendwann schon .. aber sicher erst später .. spricht in 1 oder 2 Jahren.

Nochwas zum Gehalt

Ich habs hier nie veröffentlicht .. aber das kann ich ja jetzt (Gruß an Victoria).
Alles bezieht sich auf eine 5 Tage Woche / 40 Stunden und ist brutto.

Als ich bei 1&1 angefangen habe: 40k / Jahr
Als ich bei 1&1 gegangen bin etwa: 52k / Jahr

Als ich in München angefangen hab: 60k / Jahr
Mein letztes Gehalt waren 100k / Jahr.

Die Einmalzahlung war am Ende 190.000 Euro / brutto.
Davon bekam ich nur knapp 100k .. der Rest ging ans Finanzamt.



Kommentare:

  1. Christian

    Wurde bei der Einmalzahlung die fünftelregelung angewandt? Bestand die Möglichkeit diese ins Folgejahr zu verschieben um die Steuerlast zu reduzieren?

  2. Daniel

    Das Einkommen ist wirklich nicht so hoch, wie ich dachte. Dein Nebenverdienst hat wohl den Unterschied gemacht.

  3. Connie

    @ 1. Christian:
    Die Fünftelregelung gilt nach wie vor, aber man muss das nun über die Steuererklärung nachträglich geltend machen.

  4. Vroma

    Sauberer Exit 🙂

  5. Chris

    Interessantes Angebot mit der Einmalzahlung bei Verkauf, so ungefähr mach die Braut hübsch und du verdienst mit. Das hat schon etwas von oberes Management und da du diesen Deal nochmals verbessern konntest, war das ein fettes Paket – Gratulation!

    Hätte man die Kuh noch mehr ausmelken können? (Counteroffer von 2021 wiederholen / Abfindung) – Vielleicht, aber das bedeutet weitere Jahre dort sein.

    Ich finde es gut, das du 5-8 unangenehmere Jahre ausgehalten hast und nun entlohnt wurdest. Ich finde es selbst persönlich schwierig den Absprung zu finden und auch wenn es eine mögliche Abfindung hätte geben können, find ich es super das du dein zufriedenes Ende dort gefunden hast.

    Gruß Christian

  6. Kiev

    @ Matthias

    Ich hatte schon vermutet, dass das One More Year Syndrome etwas mit einer Art Abfindung zu tun hat. Ich kann es auch nachvollziehen und hätte bei den Zahlen vermutlich ähnlich prokrastiniert. Ich kann natürlich nicht einschätzen wie viel Spaß oder Ärger Deine Arbeit bereitet hat… Letztendlich kann man oft viel mit der eigenen Einstellung und einem Freiheitspolster sein Umfeld im Rahmen der Möglichkeiten (mit)gestalten, um Freude bei der Arbeit zu haben.
    Die 100k€ Netto sind vielleicht genau Dein Puffer, der die ersten Jahre an der Börse für sehr guten Schlaf sorgen wird und vielleicht sogar noch Spielraum für günstige Gelegenheiten bieten kann.
    Mir persönlich hätte die Auszahlung des Bonus im Januar besonders gut gefallen. Vor allem, wenn es der letzte Arbeitsmonat gewesen wäre.
    Die Höhe finde ich in Relation zum Gehalt sehr gut. Hast Du sehr gut rausgehandelt. Manchmal muss man das Glück auch zwingen. Aber dabei vielleicht nicht den Bogen überspannen… Habe ich bei meinem Immobilienkauf auch beachtet. Die letzten 10k€ werden nicht verhandelt. Wenn die Gelegenheit gut bis sehr gut ist, ist sie gut bis sehr gut. Da machen 10k€ nicht mehr viel aus. Vor allem in Bezug auf keinen Deal.

    Die Abfindung hat auf jeden Fall deutlich geholfen den Schritt zu gehen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Da kam der knapp 10% Netto Vermögensboost goldrichtig.

  7. Rappo

    Aber warum verzichtest Du auf ein Arbeitszeugnis? Haben ist besser als brauchen.

  8. JC83

    @Mad

    Moin, der Aktienmarkt hat ja grandioses Timing bzgl deines Fire-Eintritts.

    Wie gehst du aktuell damit um, jetzt wo du kein Arbeitseinkommen mehr hast? Etwas nervöser als vorher?

  9. Mad

    @Christian, Connie

    die Abfindung werde ich natürlich steuerlich geltend machen .. sobald ich die Steuererklärung für 2025 mache

    @Daniel

    zu einem gewissen Teil auf jeden Fall

    @Chris

    wahrscheinlich hätte ich noch mehr rausholen können .. aber einerseits fand ich es schon „gut“ und andererseits bin ich in solchen Dingen kein guter Verhandler

    @Kiev

    es war okay .. also ich bin bis zum Schluss eigentlich immer motviert zur Arbeit gegangen .. es gab mehr Ärgernisse als früher aber ich musste mich nicht zwingen
    Das Depot im Rücken und die Aussicht auf die Einmalzahlung haben es natürlich einfacher gemacht gewisse Dinge auszuhalten oder auszusitzen

    @Rappo

    ich habe nicht vor mich irgendwo wieder anstellen zu lassen wo ich sowas vorlegen muss .. entweder ich überzeuge die Leute oder nicht .. aber meiner Meinung nach wird in Arbeitszeugnissen sehr viel gelogen

    @JC83

    du bekommst mit der Frage in den nächsten Tagen einen eigenen Blogbeitrag als Antwort

  10. Alf

    Hi Mad,
    kurzum: ich finde Du hast alles richtig gemacht und bist jetzt im Geniesserteil Deines Lebens angekommen 🙂

    LG Alf

  11. Achim

    Die Fünftelregelung bringt in diesem Fall nicht viel. 100 T€ Jahresgehalt = 8500 € Monatsgehalt = 68 T€ von Jan-Aug. Das kostet schon 42% Steuer, 68 T€ + 200 T€ erreicht die Reichensteuer (+3%) noch nicht.

    Richtig was gebracht hätte die Verschiebung der Zahlung ins Folgejahr (einige zehntausend Steuerersparnis, der Abfindungsrechner sagt: etwa 40 T€ Steuer auf 200 T€ Abfindung, wenn sonst kein Einkommen da ist). Aber so lange warten wollte Mad dann wohl nicht mehr. 🙂

  12. mad

    Ne .. @Achim .. war mir dann auch egal .. klar ist nicht wenig Geld

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